Erfreulich: Auch die Betroffenen kamen zum Tag der Roma. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ein erster Schritt war getan: Am Ende nahmen sich alle bei der Hand. Die Kundgebung der Anstifter zum Internationalen Roma-Tag mit Gedenken an die Opfer und Appelle gegen Rassismus war ein Erfolg.

Es ist ihr Tag, ihnen und dem Gedenken an das leidvolle Schicksal ihres Volkes gewidmet, doch sie wollen nicht im Mittelpunkt stehen, bleiben am Rande, zurückhaltend, vielleicht auch aus schlechter Erfahrung: Umso glücklicher ist Peter Grohmann, dass die Roma Anna Baksa mit Töchtern, Enkeln, anderen Verwandten und Freunden der Einladung von „Die Anstifter“ zum Internationalen Tag der Roma auf dem Stauffenbergplatz gefolgt sind. Begleitet von Lidmila Bodrung von der Bürgerstiftung Stuttgart und dem Zentrum für Romafamilien in Bad Cannstatt, wo auch Anna, die vor drei Jahren aus Rumänien kam, und ihre Familie leben. Wie geht es ihnen? Sie lächeln. Und schweigen.

Eine halbe Million tote Sinti und Roma

Seit der 8. April zum internationalen Tag der Roma erklärt wurde, wird vor allem ihrer Verfolgung durch das NS-Terrorregime gedacht, der eine halbe Million Sinti und Roma zum Opfer gefallen sind. „Was war das für ein Weinen und Schreien am 15. März 1943“, ließ Elke Martin den Schrecken der Deportation von 234 Sinti aus ganz Württemberg vom Stuttgarter Nordbahnhof aus fast hautnah spürbar werden. 150 davon seien Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren gewesen, nur zehn Prozent hätten überlebt, weiß die Autorin, die mit einem Buch über generationenlang in Stuttgart ansässige Sinti die Vorurteile über die angeblich rastlosen Nomaden widerlegen will.

„Wir brauchen eine starke Roma-Community, die hier sichtbar wird und der man zuhört“, forderte Gari Pavkovic, der Integrationsbeauftragte der Stadt. Er kennt die Angst dieser Menschen und ihre Folgen: „Es ist die nie endende Erfahrung von Diskriminierung und Rassismus, weswegen sich viele Roma nicht zu ihrem Volk bekennen.“ Selbst unter den Ukraine-Flüchtlingen erführen sie Ausgrenzung. Bestärkt wird er darin von OB Frank Nopper, der die große Vielfalt der Kultur der Roma rühmt und die Notwendigkeit der Integration betont, weil die Mehrzahl der zwölf Millionen europäischer Sinti und Roma in ihren Heimatländern der Armut ausgesetzt seien. In seiner Rede, die Angelo Basar vom Theater am Olgaeck vorgelesen hat, bezeichnete Nopper das Festival zum Roma-Tag als „in Stuttgart etabliert“.

Denn die Kundgebung, bei der die überschaubare Schar der Zuhörer auf die Bitte von Grohmann hin von den montäglichen S 21-Demonstranten verstärkt wurde, ist nur der Auftakt eines Festivals gewesen: Das Theater am Olgaeck unter der Leitung von Nelly Eichhorn widmet sich den Roma und Sinti und ihrer Kultur bis zum 21. April mit Filmen, Konzerten, Flamenco, Literatur und Gesprächsrunden. „Mein Name ist Mensch“ heißt die Ausstellung zu 75 Jahre Menschenrechte und Grundgesetz, die die Anstifter kuratiert haben und die derzeit im Wizemann gezeigt wird. Und im Lern- und Gedenkort Silber startet am Mittwoch, 10. April, 19 Uhr, unter dem Motto „Romani Voices“ ein Symposium mit bedeutenden Stimmen zum Thema Sinti, Roma und Resistance.

Sie ergreifen die dargebotenen Hände

Der Kranz mit den roten Rosen ist niedergelegt, die Kundgebung mit dem Appell von Peter Grohmann, sich täglich gegen den Rassismus einzusetzen, beendet. Doch als viele Teilnehmer, animiert von der Musik von Michel Biehler am Akkordeon und als Zeichen der Gemeinschaft, einen Kreis bilden, lässt Grohmann nicht locker, bis auch Anna und ihre Gruppe in diesen Kreis kommen und die dargebotenen Hände ergreifen. Ein erster Schritt zur Integration.